Tuesday 17 June 2014

280 | AZ RUBRIK HEILIGER IBIS

280


Art. # 280
EINST HEILIG UND VEREHRT, HEUTE AUSGESTORBEN

Heiliger Ibis

Text und Foto von Stefan Rust
2014

(In terms of the Geneva Convention the copyright of these texts belong to Stefan Rust)

 
                                                                                    Threskiornis aethiopica

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Steckbrief

Namen: Threskiornis aethiopicus (Lateinisch) / African Sacred Ibis (Englisch) / Skoorsteenveer (Afrikaans)

Familie: Ibisse - Threskiornithidae

Verbreitung: Afrika südlich Sahara, Irak

Lebensraum: Flache Gewässer

Größe: 85-89 cm

Gefieder: Schwarzweißes Gefieder

Stimme: Tiefer, grunzender Lärm in den Kolonien

Nest: Dünne Plattform aus Zweigen mit feinerem Material ausgekleidet im Schilf, manchmal auf Bäumen

Brutzeit: Oktober - April

Nahrung: Larven von Wasserinsekten, Krebse, Krabben, Heuschrecken, Würmer und Käfer

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Als Zeichen der Fruchtbarkeit

Der Heilige Ibis ist in Afrika weit verbreitet. Sogar in Europa haben Vögel dieser Art aus Gefangenschaft in letzter Zeit verschiedene Kolonien gegründet und sich rasant vermehrt. Das hierbei entstehende Problem ist ihr gewaltiger Appetit: Fast alles was in ihren Schnabel passt wird gefressen. Als ausgesprochener Nahrungsopportunist sind das Kröten, Reptile, Fische, Krebstiere, Insekten, Schnecken und andere Wirbellose sowie gelegentlich auch Aas. Sogar Müllhalden werden regelmäßig nach Fressbarem durchforscht. Aber nicht nur diesem bedient er sich als Nahrung sondern an der Küste kann er sich auch auf Eier und Nestlinge von Seevögeln spezialisieren. In Südafrika ist er ein größerer Feind der Kapkormorane als die Dominikanermöwe. An der französischen Atlantikküste hat man den als Bedrohung besonders für Seeschwalbenkolonien betrachteten Heiligen Ibis zu dezimieren begonnen.
In Afrika gelten Heilige Ibisse als Teilzieher, die zur Regenzeit vom Äquator wegziehen. Während des Zuges formatieren sie sich kräftesparend, indem sie die Aufwinde des voran fliegenden nutzen. Da die Flügelschläge dabei genau synchron verlaufen, ergibt sich so eine große Welle von der Spitze bis zum Ende des Vogelzugs. So glaubt man vom Amerikanischen Weißen Ibis, dass er imstande sei, die mächtigen Winde eines Hurrikans auszubalancieren. Daher stammt das Sprichwort in Florida, dass der Ibis als letzter und auch als erster Vogel vor und nach einem Hurrikan zu sehen ist.
Im Altertum zogen die Ibisse bis nach Ägypten, gerade zu der Jahreszeit da der Nil über die Ufer trat. Diesen Massenanflug brachten die alten Ägypter mit der derzeitigen überlebensnotwendigen Nilüberschwemmung in Verbindung und veranlasste sie daher die Ibisse als heilige Vögel zu verehren. Eine weitere Erzählung aus der Hieroglyphenschrift überliefert die Geschichte, dass mit dem Frühling geflügelte Schlangen nach Ägypten geflogen kamen, diese aber von ihnen entgegen ziehenden Vögeln, der Ibisse, an dem zu durchquerenden Pass nicht durchließen und sie tot bissen. Dies, sagen die Araber, bestätigt von den Ägyptern, sei der Grund weshalb der Ibis bei den Ägyptern so in Ehren stehe.
Die Annahme, dass es sich hierbei um den Heiligen Ibis handelt, sei, so laut Experten, ein Missverständnis. Tatsächlich dürfte der heilige Ibis der Altägypter der Waldrapp oder Schopfibis gewesen sein, welcher in antiker Zeit noch in Ägypten lebte und erst viel später durch den Heiligen Ibis verdrängt wurde. Im Historia Animalium von Konrad Gesner ist vermerkt, dass der Waldrapp bis ins 16. Jahrhundert auch in den Gebirgen Europas, beispielsweise in den Alpen, weit verbreitet war. Um welche Art es sich nun tatsächlich handelte ist jedoch nicht belegbar.
Sogar im christlichen Glauben tauchen Ibisse auf. Hier symbolisiert der Ibis Hingabe, Moses bediente sich der Hilfe dieses Vogels im Kampf gegen die Äthiopier. Auch war es der Klugheit eines Ibis, der Noah, nachdem seine Arche auf dem Berg Ararat nach der Sintflut landete, folgte. Der Ibis führte ihn zu den Ufern des Euphrat, wo sich Noah mit seinem Gefolge ansiedelte. Seitdem gilt der Ibis im christlichen Kulturkreis als Zeichen der Fruchtbarkeit und in der Gegend von Birecik wird der Ibis seitdem mit jährlichen Festen verehrt.

In der Ägyptischen Kosmologie spielte der Ibis auch eine wichtige Rolle. Als Symbol für die Seele und für die Fruchtbarkeit geltend und wegen seinem wie der Mond sichelförmig gebogenen Schnabel repräsentierte der Ibis den Mond und war den Mondgöttern Isis und Thoth geweiht. In lebender Form galt der Ibis als Inkarnation Thoths. Thoth galt auch als Gott des Wissens, der Sprache, der Schrift, der Mathematik, der Zeit, der Magie und der Mysterien und wurde als Ibis-köpfige Figur dargestellt. Der Ibis symbolisiert diese positiven Attribute dieses ägyptischen Gottes.
Als ein an Wasser gebundener Vogel haben solche im verborgenen, unzugänglichen Schilfdickicht nistende „Sumpfvögel“ oft etwas mystisches und geheimnisvolles an sich und ist es daher nicht verwunderlich dass das Nest im Sumpf als Sinnbild für den Anfang der Welt betrachtet wird und dass in der ägyptischen Mythologie ein Ibis das kosmische Ei auf dem Urhügel ablegte.
Spirituelle Menschen stattet das Krafttier Ibis mit Würde und einem großen Wissensschatz aus und stimuliert sie mit Ausdruckskraft in der Kunst und Schreibkunst.

Ausgerechnet in Ägypten, wo man den Heiligen Ibis einst aufgrund seiner Verkörperung des Weisheitsgottes Thoth im alten Ägypten verehrte, ist diese auf zahlreichen Wandgemälden und in Hieroglyphen verewigte Vogelart heutzutage ausgestorben. Vielleicht führte diese Verehrung zum Aussterben dieser Art in Ägypten, denn allein in einer Kultstätte in Sakkara haben Archäologen rund 1,75 Millionen als Weihgeschenk mumifiziert bestattete Vögel gefunden. Diese aufwendige Mumifizierung ging sogar soweit, dass die einbalsamierten Mägen dieser Vögel mit Vogelfutter gefüllt wurden. Weil der Hauptkultort des Thot in Hermopolis lag, ist es nicht verwunderlich, dass vor allem dort die bedeutenden Bestattungsorte waren, unter anderm Sakkara, Ombos, Dendera, Kanopus und Theben. Es wurden jedoch Ibisse in großer Zahl in Aufzuchtstätten gehegt um sie später in mumifizierter Form zu opfern. Möglicherweise hat das Aussterben aber auch andere Ursachen, Bejagung, Landschaftszerstörung. Liegt im Verschwinden der Ibisse aus Ägypten vielleicht eine der Ursachen der in der Bibel geschilderten Heuschreckenplage, wissend dass sich der Ibis zumeist von Heuschrecken und anderen Insekten ernährt?

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